Lübeck ist auch eine schöne Stadt. Und mit der ‚Lübecker Erklärung für Akzeptanz und Respekt‘ versucht der LSVD nun, am ganz großen Rad zu drehen und landesweit Unternehmen einzubinden. Gut gemeint, schlecht gemacht, und Lesben sind schon gar nicht mehr sichtbar.

Doch zunächst: Ich persönlich halte es für wichtig und richtig, Akzeptanz und Respekt in der Gesellschaft breit zu verankern. Die Unterstützung aller gesellschaftlich relevanten Gruppen ist wichtig für einen gesellschaftlichen Konsens, der nicht in Worthülsen und Absichtserklärungen steckenbleibt sondern gemeinsam und aktiv am Thema arbeitet. Homophobie darf in unserer Gesellschaft keinen Platz haben.

So wäre die so genannte ‚Lübecker Erklärung‘ doch erst einmal eine begrüßenswerte Initiative? Aber ja. Aber man muss es dann auch richtig machen.

Der Text der Erklärung ist – etwas versteckt – wiederum bei der Kampagnenwebseite zu finden und klingt erst einmal gut. Sätze wie „Homophobie ist ein Angriff auf unsere Grundwerte“ oder „Homophobie geht uns alle an“ sind allerdings der Minimalkonsens. Und auch, dass „die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieses Aufrufes (sich) verpflichten (…), im Alltag jeglicher Form von Diskriminierung entgegenzutreten.“ Das klingt doch ganz sinnvoll.

 

Eine Männerrunde proklamiert ein Bündnis gegen Homophobie. Di einzige Lesbe im Bild hält das Schild.

Eine Männerrunde proklamiert das Bündnis gegen Homophobie. Die einzige Lesbe im Bild hält das Schild. Das ist leider nicht der einzige Schönheitsfehler.

Aber: Wie soll das geschehen? Ganz einfach:

Wir engagieren uns für Anerkennung und Respekt gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender.“

Aha. Mehr nicht. So sieht ein zahnloser Tiger aus – eine Selbstverpflichtung, die zu nichts verpflichtet. Das ist ein wenig wie „Schön dass wir drüber geredet haben.“

Und weiter:

Unser Ziel ist ein breites gesellschaftliches Bündnis gegen Homophobie, das Hass und Intoleranz offensiv entgegentritt und die Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Lebensweisen fördert.”

Das wiederum kollidiert dann mit einigen pikanten Details um die Auftaktveranstaltung herum und mit der Frage, wer oder was ein breites gesellschaftlichen Bündnis ist. Dazu gab es bereits im Vorfeld in der Lübecker Bürgerschaft einige Irritationen, denn Ratsfraktionen wollten das Bündnis unterstützen, wurden aber mit den Worten „Wir wollen keine Politik“ abgewiesen. Was den LSVD nicht daran hinderte, einen Ratsherrn aus der Lübecker Bürgerschaft auf der Auftaktveranstaltung reden zu lassen.

Auch andere wollten die Erklärung unterstützen, durften aber nicht. So wurden die Träger der AIDS-Hilfen im Land, die seit zwei Jahrzehnten sinnvolle Arbeit für Menschen machen, die zu Anfang der HIV-Epedemie fast ausschließlich schwul waren explizit ausgeladen. Man wollte einzig die Landesarbeitsgemeinschaft der AIDS-Hilfen dabei haben. Andere Initiativen waren im Vorfeld nicht einmal informiert worden.

Wenn ein Bündnis etwas bewegen soll, dann kann es das nur gemeinsam und im Austausch mit von Homophobie betroffenen Menschen tun. Diese Menschen arbeiten in vielen Projekten im, Land mit – aber auch die wurden nicht um Unterstützung gebeten. So kommt es dann zu der vollkommen absurden Situation, dass lesbisch-schwule Initiativen mit persönlichem Engagement die Tür zu Migrantenorganisationen öffnet, aber keine Bündnispartner sein dürfen. In Konsequenz kann wiederder LSVD einen realitätsfremden Alleinvertretungsanspruch durchsetzen, und die Ergebnisqualität – nämlich die Schaffung eines breiten, handelnden Bündnisses, das gesellschaftlich wirklich etwas bewegt – bleibt erneut auf der Strecke.

Bonusfrage: Wer, wenn nicht gewählte Abgeordnete, mithin der Souverän, sind denn relevant? Was ist das für ein Politikverständnis, dass Volksvertreter_innen auschließt bzw. nur handverlesen zulässt? Ist nicht jede Stimme gleich viel wert?

So ist denn auch die Missstimmung zu verstehen, die sich dann später auch in der Presse niederschlug, als es darum ging, ob Lübeck dem Bündnis beitritt. Sie gipfelte in einer Erklärung der Lübecker SPD mit folgendem Satz:

Wie wir im Rahmen der Unterzeichnung der „Lübecker Erklärung“ im August 2014 erfahren durften, sind Parteien und Ratsfraktionen aus Sicht der Initiatoren keine „gesellschaftlich relevante Gruppe“.

Ja, und die Veranstaltung selbst? Es war schon eine sehr ungewöhnliche Stimmung im Lübecker Rathaus, und es war im Wesentlichen eine Veranstaltung, in der sich schwule Männer und wohlgesinnte Unternehmer profilierten.  So auch auf dem Abschlussfoto, bei dem sich die einzige Lesbe im Bild hinter all den Männern versteckt. Wenn man genau hinschaut, dann sieht man sie auch.

Schön war, wie der Moderator sich beinahe unbemerkt durch die Veranstaltung kalauerte und so seine persönliche Distanz zum LSVD Schleswig-Holstein und zur Abwesenheit der lesbisch-schwulen Community dokumentierte.

Wie schade, Chance vertan.