Gut frequentierte Fast-Food-Restaurants, ein FNAC-Megastore, das allgegenwärtige H&M und ein Schwimmbad sind nur einige der Dinge, die das "Forum les Halles" in Paris beherbergt – eigentlich eine architektonische Scheußlichkeit aus den 70er Jahren, die das Loch füllen sollte, das durch den Abriß des Pariser Großmarktes an gleicher Stelle hinterlassen wurde. Die Mairie de Paris ist sich dessen schon länger bewußt. Ein neues Dach und ein Totalumbau sollen jetzt das ungeliebte Forum attraktiver machen. …

Die weltreisende Internautin gibt es zu: Wenn sich unter dem "Forum des Halles" nicht drei RER-Schnellbahnlinien und fünf Metrolinien kreuzen würde, dann würde sie diesen Ort gar nicht kennen – oder nur den kleinen Teil des Forums, in dem sich ihre liebste Medienhandlung FNAC auf mehreren unterirdischen Etagen ausbreitet. Bücher und CDs sind dort zu erstehen, Konzertkarten, Computer und vieles mehr in reicher Auswahl. Auch wenn sich daran Kaufhäuser und Boutiquen, Kino, Schwimmbad, Cafés und Bars anschließen: geliebt hat sie das Forum nie, höchstens notgedrungen als Umsteigestation mit reichlicher Taschendiebdichte in Kauf genommen.

Schuhe kauft sie in der nahe gelegenen Rue St. Denis, Bücher in St. Germain-des-Pres oder im Marais, Futter für den Ordinateur bei Surcouf in der Nähe der Gare de Lyon. Ins Forum? Nicht freiwillig, und so geht es sicher vielen anderen Menschen auch. Geliebt wurde es nie, gehasst schon eher. Über Rolltreppen geht es hinab ins Dunkel und in einen betonierten Krater mit 13 Metern Tiefe, um den herum sich 160 Geschäfte gruppieren und der doch nur die Durchgangsstation zu den noch tiefer gelegenen Metro- und RER-Stationen sind. Vollster Ort in diesem Universum ist die Filiale von McDonalds, gefolgt von denen einiger anderer Expressrestaurant-Ketten.

Ein oberhalb liegender Park ist mehr schmückendes Beiwerk denn zentraler Bestandteils dieser städtebaulichen Scheußlichkeit, und auch, wenn inzwischen der Drogenhandel stark zurück gedrängt worden ist, gehört das Forum sicher in die Kategorie der "urbanen Angsträume". Umbaupläne gibt es seit Jahren, und es kann eigentlich nur besser werden mit diesem Disneyland in Stahlbeton und Glas. Der sozialistische Realismus war auch nicht schlimmer.

Seit dem vergangenen Jahr sind die Umbaupläne sehr konkret, und nun hat die Pariser Stadtverwaltung ein spektakuläres Kernstück der Totalerneuerung vorgestellt: Die Architekten Patrick Berger und Jacques Anziutti haben die Vision eines riesigen Daches – sie nennen es "Canopee", was nicht wirklich zu übersetzen ist, aber so etwas wie einer Baumkrone nahe kommt. Unter ihm soll die betonierte Scheußlichkeit verschwinden und gleichzeitig der Kontakt zwischen der Kunstwelt im Keller und der Natur wieder hergestellt werden, unter ihm sollen sich die Kaufhauskatakomben zum nahe gelegenen Park hin öffnen, ganz so, wie es Patrick Berger schon mit der Stadt und der Seine mit dem Park André Citroën vorgemacht hat.

Vielleicht gelingt die Intergration von Natur und Stadt ja, so wie sie an anderen Pariser Orten bereits gelungen ist. Der oben erwähnte Park ist der erste in Paris, der die Seine berührt und damit die Zurückwendung der Stadt zu ihrer Lebensader begonnen hat. Mit dem "Le Viaduc des Arts" im östlichen Innnenstadtbereich ist die Transformation einer ehemaligen Eisenbahnlinie zu einem Grünstreifen für das Viertel entlang der Avenue Daumesnil gelungen, unter dem sich Geschäfte und eine reichhaltige Galerienszene tummeln.

Die Rückgewinnung urbanen Lebensraums ist das Thema, und auch mit dem neuen Dach für das Forum beschäftigt sich Patrick Berger mit diesem Konzept. Dynamisch und beruhigend zugelich soll das "Canopee" die Shopping-Mall und das Grün des Parks näher aneinander bringen und dabei gewissermaßen die Trennung aufweichen und verschwimmen lassen. Das Grün des halbtransparenten Daches berührt die Kaufhauswelt, strahlt aus und lädt ein, es fingert sich hinein in den ehemaligen Bauch der Stadt und wird gegensätzliches auf neue und leichte Art verbinden.

Zwischen 2008 und 2009 ist der Baubeginn projektiert, und das Dach soll, so die Mairie de Paris, irgendwann im Jahr 2012 fertig sein. Damit soll dann die bis dahin knapp 35jährige Leidensgeschichte dieses zentralen Ortes der Stadt zu Ende sein und das "Centre Carreau" mit dem Grün des Parks zu versöhnen.

Es kann Paris nur gut tun – und ein schöner Gedanke ist es obendrein, die Einkaufswüste ein Stück aus dem Zwielicht der Unterwelt in das Zwielicht des Waldes zu holen.