established 2006. das weblog von carolina koehn - #webdev #politics #personalthoughts

>> verwirrung stiften

Dass sich Bundesregierung und einige Provider darauf geeinigt haben, Sperren auf DNS-Basis gegen die Verbreitung von Kinderpornografie einzusetzen haben ja inzwischen die meisten mitbekommen. Dass es nichts nützt sollte eigentlich auch bekannt sein.

Dass es schadet, hmm, nunja, dazu gibt es verschiedene Standpunkte – genauso wie dazu, das alles durch Nutzung eines alternativen DNS-Servers hinter sich zu lassen. Ich persönlich finde das ja legitim, Frau von der Leyen sicher nicht (aber sie gibt ja auch immer die heilige Ursula), und die Frau Zypries, die ist sich da wohl irgendwie nicht sicher. Brigitte denkt nach, so scheint es.


Vor ein paar Tagen, da sagte sie auf der Pressekonferenz anlässlich der flächendeckenden Einführung der Sperren, dass es den

Strafverfolgern möglich sei, „in Echtzeit“ direkt beim Provider auf die IP-Adressen der „Nutzer“ des virtuellen Warnschilds zuzugreifen. Eine Strafbarkeit liege (…) vor, wenn nicht nachgewiesen werden könne, dass es sich um ein Versehen oder eine automatische Weiterleitung gehandelt habe. Generell mache sich strafbar (…) sich kinderpornografische Bilder und Schriften zu beschaffen. Die Strafandrohung liege dabei bei zwei Jahren.

Bedeutet soviel wie: Wer sich auf eine Seite klicken möchte, die auf dem Index steht und dabei mit der „Stopp“-Seite des BKA verbunden wird (übrigens eine typografische Zumutung, aber das nur am Rande), der kann sich schonmal ein wenig Zeit für den Hausbesuch der Beamten und Beamtinnen einplanen. „Der Versuch ist strafbar“ – ich persönlich finde das erstmal gut, aber in diesem Zusammenhang führt das zu manch Nebeneffekt.

Wer kontrolliert eigentlich diese Listen? Die Frage steht ja schon seit geraumer Zeit im Raum. Und wer kontrolliert die Kontrolleure? Wird das irgendwie gerichtlich festgesetzt, was auf der Liste zu stehen hat? Wie kann geprüft werden, ob es dabei mit rechten Dingen zugeht? Eigentlich ist das ja praktisch – ein subalterner BKA-Beamter (oder eben auch eine Beamtin) pustet eine geheime Liste zu den Providern, die daraufhin die Sperrliste aktualisieren, woraufhin Jede und Jeder automatisch bei der Polizei verpetzt wird.

Heute legte Frau Zypries übrigens noch eins drauf:

Ich gehe davon aus, dass dadurch Begehrlichkeiten geweckt werden, auch Inhalte ausländischer Anbieter zu reglementieren, die keinen Bezug zu Kinderpornografie aufweisen.

Hmmm. Regelementieren. Schönes Wort – klingt genauso wie damals, als es nicht mehr ‚Müllkippe‘ sondern ‚Entsorgungspark‘ hieß. ‚Reglementieren‘ ist Neusprech für ‚zensieren‘.

Ja, und jetzt kann sich die moderne Internautin gut vorstellen, wie der besorgte Herr Schäuble zu seiner netten Kollegin, der heiligen Ursula, hinrollt und sich bedankt für das tapfere Engagement beim Thema Kinderpornografie. Und dann rollt er ein Zimmerchen weiter und schreibt an einer eigenen Presseerklärung, in der er gleiches auch für den Kampf gegen den Terror fordert. Oder haben wir schon vergessen, dass die sauberen Jungs aus dem Sauerland nur dank der Online-Durchsuchung jetzt ihren Prozess erleben?

Ja, da kann er sich zurücklehnen, der Herr Schäuble, und ein wenig ausruhen von all dem Tun. Bevor dann nämlich Besuch vor seiner Tür steht, den die Musik- und Filmindustrie geschickt hat, gleich nach dem Besuch der netten Verfassungsschützer, die gerne der NPD den parteilichen Garaus machen würden.

Und dann ist man so richtig gespannt, was denen als nächstes einfällt.

1 Kommentar

  1. GwenDragon

    Die Sperrliste mit dem Stopp-Schild kommt wohl aus einem Probenskript von der Leyenspielgruppe in Berlin/Wiesbaden.

    Mediengerecht marktschreierisch stoppt das rote Achteck die bösen Onkels beim netten Schwips-Schwager ProVida und holt den guten Papi B. Kah zu Hilfe, damit die bedrohten Kinderlein ein kleines moralisch-beruhigendes Getätschel von Tante Ursula bekommen.

    Dafür kostet sowas wie diese Sperrlistenaktion fast kein Geld. Nein, da muss Tante Ursula kein Geld in die kostenintensiven Betreuungsprojekte für Gewaltgeschädigte reinbuttern.

    Wo kämen wird dahin, dass es mehr als nur Pseudoprävention gibt.
    Berliner Schnellschuss halt.

    Wenn ich so nachdenke, ist die deutsche Polizei doch hoffnungslos schlecht ausgebildet in Sachen Internet-Kriminalität.
    Und die diversen Aktionen, die in den letzten Jahren durch die Presse geisterten, haben zwar zigtausende Überprüfungen mit hunderten Hausdurchsuchungen gebracht, aber nur eine Handvoll verurteilte Täter.

    Auch wenn ich strikt gegen sexuelle Gewalt jeder Art bin, solche Aktionen sind selten dämlich und nutzlos für die traumatisierten Kinder und Jugendliche.

    Aber seien wir dankbar, heute ist es wenigstens ein fast wissenschaftlich anerkannter Status, wenn ein Kind oder einE JugendlicheR von sexuellen Gewalttaten geschädigt wird.
    Obwohl, wenn der böse Onkel Priester ist oder Lehrer ist es schon öfters schwierig.
    Aber das ist ein anderes Thema …

    Damit wir braven BürgerInnen auch brav bleiben, werden bestimmt die Sperrlisten erweitert. Weder politsch kritische Webseiten noch Torrents oder gar Informationen über AlQaida (wegen Terror) oder AlkaSeltzer (Wegen Markenrechtsverletzung) dürften dann noch angesehen werden, bevor die Alarmglocke im BKA schrillt.

    Schöne neue Welt.