Kommen wir zur Broschüre, dem zweiten Teil der Öffentlichkeitsarbeit: sie breitet auf 36 Seiten bunte Bilder und flache Informationen aus. Das ganze wird bestückt mit den Fotos, die schon im Bereich ‚positives Selbstbild‘ mit zweieinhalbtausend Euro bezahlt wurden und mit vielen nichtssagenden Sätzen begleitet, die sich übrigens in ähnlicher Form bereits in einer Broschüre aus Nordrhein-Westfalen fanden.

Darin ein paar Vokabeln aus dem Regenbogenkontext: es werden kurz Bi-, Hetero-, Homosexuell und ein paar andere Spielarten erläutert. Weder etwas, was Gesellschaft noch nicht wüsste, noch in der Sprachqualität über dem Grundschulniveau.

Auch im Layout sieht man, wie sehr mit heißer Nadel gestrickt wurde – Registerhaltigkeit scheint ein Fremdwort zu sein (aber vielleicht bin ich ja die Einzige, die das stört). Qualitätsarbeit hat eben seinen Preis.

Ein Screenshot von der Kampagnenwebseite des LSVD.

Ein Screenshot von der Kampagnenwebseite des LSVD.

Ein paar Perlen aus dem Inhalt:

Es ist wirklich nicht der Penis, der einen Mann macht.“

Jeder Mensch braucht manchmal Hilfe und Beratung.“

Queer bezeichnet eine große Vielfalt von sexuellen Identitäten.“

Auf die ehrenamtlichen Mitarbeiter_innen kann man sich übrigens auch nicht herausreden:

Erstellt wurde der Wort-Schatz vom Lesben- und Schwulenverband Schleswig-Holstein (LSVD).“

Im Haushaltsentwurf des LSVD sind 5.000,- Euro angesetzt, rechnet man die Fotos ein, die bereits anderweitig (im Bereich Stärkung des Selbstbildes) auftauchten, dann sind 7.500,- Euro in diese Broschüre geflossen. Für mich ist das schlicht ein Fall von sehr teurem Altpapier auf Landeskosten. Wer’s trotzdem lesen möchte: Bittesehr.

In diesem Fall legt der LSVD dann übrigens Wert auf Kopierschutz. In Zeiten von Open Gouvernement und Open Data, und deshalb habe ich die Broschüre mal vom Kopierschutz befreit. Verklagt mich bitte.

Den weiteren Inhalten des Aktionsplans „Echte Vielfalt“ widme ich dann in den nächsten Postings. Dann kommen wir auch zu einer offensichtlich schlecht informierten Ministerin, einer noch schlechter gemachten Arbeitseinheit für Grundschulen und zu der Frage, wer im Januar die lokale Presse und die ‚Besorgten Eltern‘ informiert haben könnte.

Es ist ein Trauerspiel, und ‚Echte Vielfalt‘ geht anders.

Trotzdem: Politiker_innen landauf landab hält es nicht davon ab, die wundervollen Ergebnisse auch öffentlich zu loben. Ich möchte da gar keine Bosheit unterstellen – vielleicht wissen sie es einfach nicht besser? Immerhin, das Thema ist für die meisten von ihnen ja auch neu, und vielleicht wäre es dann doch eine gute Idee gewesen, vorab eine Bestandsaufnahme auch innerhalb der Politik zu machen, was an Wissen vorhanden ist und was nicht.

So gibt es schöne, farbenprächtige Bilder von lächelnden Lesben und Schwulen. Alles ist nett, alles ist bunt, und über die Realität spricht man nicht.

Einigen Politiker_innen scheint das übrigens bereits klar gewesen zu sein. Ich habe aus einem persönlichen Gespräch mit dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Landtag (im August 2014) beispielsweise das Wort ‚unglücklich gelaufen‘ mitgenommen, und einer Bundestagsabgeordneten aus Schleswig-Holstein standen bereits im Juni 2014 die Haare zu Berge, als wir in Berlin über das Thema sprachen. Und auch bei einem Gespräch mit dem FDP-Landesvorsitzenden kam – neben der verständlichen Freude, dass sich beim Thema endlich etwas bewegt und das Projekt (nicht das Konzept) von allen Fraktionen mit Ausnahme der CDU beschlossen wurde – ebenfalls eine Portion Skepsis zum Ausdruck.

Andere – wie die gleichstellungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion – beantworteten leider meine Nachfrage und Bitte um ein detaillierteres Gespräch im November 2014 nicht.

Man muss halt hinsehen wollen.

Stay tuned.