Im Januar 2015 beginnt eine öffentliche Diskussion um den ‚Landesaktionsplans Echte Vielfalt‘, und es passiert, was passieren muss, nachdem Teile der Arbeitsmaterialien für Grundschulen an Presse und an Institutionen aus dem rechts-konservativem Spektrum weitergegeben wurden. Neudeutsch heißt das ‚geleaked‘, und so etwas ist für die meisten direkt Beteiligten unangenehm. Besonders unangenehm ist es jedoch für Lesben, Schwule, Trans*, deren Familien und deren Kinder, deren berechtigte Interessen öffentlich diskreditiert werden.

Nicht schön – und das ein gut gemeinter Landesaktionsplan gegen Ausgrenzung diese erst produziert lässt tief blicken.

Nachdem Vorentwürfe der Arbeitshilfe bereits ein paar Tage durch einschlägige Foren und auf ebenso einschlägigen Webseiten debattiert wurden ist es das Verdienst von Kieler Nachrichten und Flensburger Tageblatt / shz, über das Thema auch in breiterer Öffentlichkeit zu berichten. Es ergibt sich ein uneinheitliches Bild.

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Artikel und Kommentar der Kieler Nachrichten stellen die richtigen Fragen.

 

Die Kieler Nachrichten widmen der Angelegenheit eine halbe Seite – wer die Zeitung kennt weiß, dass so etwas im Lokalteil viel ist – und einen Kommentar, der im Wesentlichen die richtigen Fragen stellt. Im begleitendenden Artikel kommt LSVD-Landesvorständin Konstanze Gerhard zu Wort und lässt kein gutes Haar an der eigenen Arbeit:

Die Mann-Frau-Beziehung [wird] fast völlig ausgeblendet. [Der Schatz sei] ein Fall für den Papierkorb.“

Chapeau. Das muss man erst einmal fertig bringen – erst den Auftrag vergeben, dann als Gegenleistung die angejahrte Webseite des Petze-Instituts relaunchen dürfen, und schließlich der Auftragnehmerin Petze-Institut öffentlich eine schallende Ohrfeige geben. Dass so ein Statement dann auch gleich von der eigentlichen Frage ablenkt, ob denn LSVD und Petze überhaupt qualifiziert für ein solches Projekt sind, das ist dabei sicher bequem. Ich frage es trotzdem.

Während die Familienschützer (die ich hier erneut nicht verlinke) Morgenluft wittern und sich auf etlichen Webseiten über das Ende des Abendlandes echauffieren (was komplett indiskutabel ist) erreicht die Debatte mit einem Artikel in der ‚Welt‘ am 31. Januar 2015 dann auch die bundesweite Öffentlichkeit.

Meine Erfahrung: Man muss solche Debatten steuern, wenn man etwas für Lesben, Schwule, Trans* und ihre Familien tun möchte. Man muss einheitlich sprechen um Schaden abzuwenden. Torsten Albig hat das vor nicht all zu langer Zeit (an Susanne Gaschke gerichtet) gesagt: Man stolpert nicht über Fehler, man stolpert über den Umgang damit. Und jetzt widerspricht sich der LSVD-Landesvorstand öffentlich.

Denn LSVD-Landesvorständin Agnes Witte zeigt sich in einem Gespräch mit der ‚Welt‘ unbeeindruckt. Unter anderem heißt es in dem Artikel:

Vorstandsmitglied Agnes Witte aus Kiel ist allerdings nicht der Ansicht, dass die normale Familie in der Broschüre an den Rand gedrängt wird. Ziel des Verbandes sei es, einfaches und verständliches Unterrichtsmaterial zu erstellen, das Lehrkräften in Schleswig-Holstein bei Bedarf helfen könne, Akzeptanz und Vielfalt kindgerecht zu vermitteln.“

Gleichzeitig tut Sozialministerin Kristin Alheit das einzig richtige und rudert öffentlich zurück. Sie stellt im selben Artikel klar:

(…) Keinesfalls darf der Eindruck entstehen, als ob eine Familie mit Vater, Mutter und Kind etwas falsch gemacht hätte. Der Entwurf spiegelt nicht die Einstellung des Ministeriums wider.“

Das Petze Institut fühlt sich – so die ‚Welt‘ – brüskiert, und bekommt doch nur die Quittung für Kungelei und dafür, dass man Praktikanten diesen zentralen Teil des Landesaktionsplans schreiben lässt. Dass man dazu nicht offiziell Stellung gegenüber der Presse beziehen mag ist sicher verständlich. Stattdessen eine Wortwolke und der Satz, die Kurzfassung gäbe ein falsches Bild wieder.

Eigentlich möchte man zu diesem Zeitpunkt Mäuschen spielen in der Kommunikation zwischen LSVD Schleswig-Holstein, dem Sozialministerium in Kiel und dem Petze-Institut.

Ganz spannend wird es bei der Stellungnahme des Sprechers des Kieler Sozialministeriums, Christian Kohl. Er versteigt sich zu der Aussage, dass die Erstellung des „Methodenschatzes für Grundschulen zu Lebens- und Liebesweisen“ bisher 20.000.- Euro gekostet habe. Im Haus ist offenbar niemand über die Kosten- und Finanzierungspläne des LSVD Schleswig-Holstein und des Petze-Instituts orientiert, und das ist schlicht atemberaubend.

Der einzige Trost dabei ist: Das Material wird überarbeitet – und entweder wird das aus dem Etat des Jahres 2015 bezahlt, oder die Verantwortlichen setzen eigene Mittel ein. Die sollten ja vorhanden sein.

Zum Nachlesen:

Die ‚Welt‘ vom 30. Januar 2015